Franzosenbunker
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Der Franzosenbunker ist nichts weiter als ein paar Überreste einer Ruine im Wald von Eberswalde. Ein Bunker ist es nicht und ob jemals Franzosen mit dem Bauwerk zu tun hatten, ist zumindest umstritten. In Wirklichkeit ist das ein Überrest des "Drehnitzlagers", einer Nebenstelle des KZ-Außenlagers Ravensbrück an der benachbarten Kleinbahn in Eisenspalterei.[1] Das Lager Drehnitzwiese befand sich südöstlich vom „Deutschen Lager“. Anfang 1943 wurden fünf Holzbaracken des Rechsarbeitsdienstes errichtet, davon eine Wirtschafts- eine Kranken- sowie Sanitärbaracken. Das lager war mit Stacheldraht umzäunt. Die Baracken wurden bald nach Kriegsende abgerissen. Lagerführer war Albert Thiemann, Sanitäter Kurt Hübner. Für dieses lager sind vom 20. 12. 1943 bis 7. 4. 1945 neun Geburten russischer Kinder gemeldet.[2] Bekannt wurde der Name "Franzosenbunker" erst über die Grenzen des Stadtteils Westend hinaus, als der Film über den Kindermörder Erwin Hagedorn im Fernsehen lief. Im Film hat er die Kinder an diesem Bunker angesprochen, dies kann auch durchaus der Wahrheit entsprechen, die Gegend war damals ein beliebter Spielplatz der Westender Jungs.
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Lage
Der Franzosenbunker bzw. die Ruinenreste liegen im Wald zwischen Drehnitzwiese und Laga-Gelände, Luftlinie etwa mittig. Nördlich befindet sich der Ausweichpaltz des Westend-Stadions und dazwischen noch der Drehnitzbach. Westlich schließt die Bahnlinie Eberswalde-Finowfurt sowie einige Kleingärten in ca. 100 m an.
Geschichte
Auf dem Gelände südlich des Walzwerk-Altwerks (heute Landesgartenschau), dort wo der Supermarkt und Parkplatz sind, befanden sich bis zur Wende Baracken, Garagen und Hallen, die von der Sowjetarmee genutzt wurden. Dies war bis 1945 ein Teil der Unterkünfte von Zwangsarbeitern, die in den umliegenen Fabriken gearbeitet haben. Zwei der Baracken stehen heute noch. Die Geschichte dieser Anlage war zu DDR-Zeiten unbekannt.
Offenbar hat die Kapazität irgendwann nicht mehr ausgereicht und man hat im nahegelegenen Wald weitere Baracken errichtet. Direkt auf der anderen Straßenseite war wohl nicht ausreichend Platz, außerdem fächert der Drehnitzbach zu einem Sumpf auf. Das Gebiet des sogenannten Franzosenbunker liegt etwas erhöht dahinter und bietet guten Baugrund.
Ob hier nun KZ-Häftlinge untergebracht waren, ob es Zwangsarbeiter waren oder was auch immer - welcher Nation sie angehörten, das alles ist nicht eindeutig überliefert. Der Baumbestand über den Ruinen ist selbstgesät nach dem Krieg, die umliegenden Bäume sind deutlich älter. Da diese Bäume bis unmittelbar an die ehemaligen Gebäude heranreichen, kann davon ausgegangen werden, daß keine ausgedehnten Sicherungsanlagen sondern höchstens ein normaler Zaun existiert hat.
Schon gleich nach dem Krieg haben die Westender Kinder am Franzosenbunker gespielt und schon da war es eine Ruine. Der Name "Bunker" kam wohl daher, daß Kellerelemente aus Beton gefertigt waren. Heute noch existierende Kellereingänge weisen sehr dicke Flanken auf, was einen Bunker nahelegen würde, allerdings wohl eher dem Mangel an Stahl in den letzten Kriegsjahren zuzuschreiben ist.
Anfang der 70er Jahre hat noch die Kellerdecke eines offenbar größeren Gebäudes existiert. Der Keller war noch erreichbar aber fast völlig verschüttet. Kellerwände waren nicht mehr auszumachen. Plötzlich war dann davon kaum noch etwas vorhanden, alles war eingestürzt. Wir Kinder verbreiteten natürlich, daß jemand den Franzosenbunker gesprengt hat, wahrscheinlich ist die Decke aber nur altersschwach zusammengebrochen.
Betonbrocken im Wald
Nicht weit vom Franzosenbunker entfernt, etwa 100 m nördlich, liegen einige Betonbrocken im Wald umher. Es scheint so, als wenn die beim Anlegen der Erweiterung des Westend-Stadions den Hang herunter geworfen wurden. Es sind Einzelfundamente mit verlorener Schalung, die in zwei Lagen betoniert wurden und die offenbar Stützen getragen haben. Es handelt sich um mindestens 11 Betonteile, alle um die 1 m³ groß.
Noch etwas weiter nordöstlich findet man unterhalb der Mauer des Grundstückes von ehemals Ardelt andere Betonteile. Diese stammen nicht von der Mauer, sind auch keine Fundamente. Sie sehen eher nach Kranbahnplatten aus, die irgendwann zu DDR-Zeiten abhanden gekommen sind.
Diese verschiedenen Betonteile haben wahrscheinlich nichts mit dem Franzosenbunker zu tun. Betonqualität und Ausführung sprechen für eine Herstellung mehrer Jahre nach dem Krieg. Nur die Nähe suggeriert, daß es da Zusammenhänge geben könnte. Die Fundamente liegen heute noch so in der Gegend herum, als wären sie achtlos vom Stadion aus abgekippt worden.
Hagedorn
Wenn es ein Unwort in Eberswalde gibt, dann ist dies „Hagedorn“. Speziell bei den älteren Generationen, die das noch live erlebt haben aber durch direkte Mundpropaganda auch bei später Geborenen. Der Kindermörder von Eberswalde hat jahrelang das Geschehen der Stadt mitbestimmt.
Wir hatten als Kinder in der Schule noch wöchentliche Belehrungen, dort wurden wir anfangs darüber aufgeklärt, wie wir uns bei Fundmunition verhalten sollen, wenn wir etwas beim Spielen entdecken. Das beeinflußte natürlich auch unsere Phantasie, was man am Franzosenbunker so alles ausgraben könne. Nach den Morden anderten sich die Belehrungen dahingehend, daß wir nicht allein in den Wald gehen sollen und daß wir niemals mit Fremden sprechen oder etwas von ihnen annehmen sollen. Schon gar nicht sollten wir mitgehen. Diese Belehrungen zeigten durchaus Wirkung. Wir sind nicht mehr allein (naja mit Ausnahmen) in den Wald gegangen. Und da wir ohnehin in Gruppen unterwegs waren, sind auch Mädchen mitgekommen an den Franzosenbunker, vorher undenkbar. Dort konnten wir stolz berichten, was es zu sehen gab. Es war zwar nicht viel aber das interessierte nicht.
Irgendwo im Wald beim Franzosenbunker hat Erwin Hagedorn seinen späteren Opfern aufgelauert, das wurde aber erst später bekannt. Nach den ersten Morden im Mai 1969 wurde es irgendwann ruhig, am 7 Oktober 1971 nach dem dritten Mord war die Stadt, besonders aber der Ortsteil Westend wie umgewandelt. Kein Kind durfte mehr ohne Begleitung Erwachsener aus dem Haus, wir wurden zur Schule gebracht und wieder abgeholt. Das dritte Opfer wohnte 2 Blöcke vor mir, er war 4 Jahre älter, 12 Jahre alt. In der Schule war ständig Polizei präsent, wir wurden mehrmals befragt. Da mein Kinderzimmer das Fenster Richtung Wald hatte, war die Polizei auch bei uns zu Hause und wollte wisse, was ich vielleicht seltsames bemerkt haben könnte. An Spielen im Wald war nicht zu denken, für zwei Monate spielte sich unser Leben weitgehend in den Wohnungen ab. Nachdem der Mörder Mitte November gefaßt war, konnten wir auch wieder in unseren Wald. Die Ereignisse um den Kindermörder haben unser Verhalten nachhaltig geprägt. Tauchte ein Fremder im Wald auf, sind wir davongelaufen und haben uns gegenseitig gewarnt: „Der Kindermörder kommt“. Die Belehrungen in der Schule blieben aber noch lange Zeit wie gehabt.
Weiterführende Links
- Frankfurter Allgemeine: „Mord in Eberswalde“ erzählt von einem Kriminalfall, den die DDR unter Verschluss hielt, weil er im Sozialismus nicht vorkommen durfte.
- Google Books: Profiler: Auf der Spur von Serientätern und Terroristen von Joachim Käppner
- Fußnoten
- ↑ Broschüre "Fremde Heimat Eberswalde, Seite 28
- ↑ Kurt Berus, Holger Kliche (Geschichtswissenschaftliches Institut Eberswalde): Idyllisches Finowtal - von 1939 bis 1945 für Tausende das Tal des Leidens, 1. Auflage 2007, PS Verlag